An unsere Freunde und Freundinnen in Deutschland. In diesem Monat möchte die EU die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt abschließen. Es besteht wenig Hoffnung, dass die Artikel 11 und 13, die die Macht haben, kleine europäische Tech-Startups zu vernichten, verbessert oder gestrichen werden. Eher wird sich die Macht in den Händen Amerikanischer Hightech-Unternehmen konzentrieren, während eine halbe Milliarde EuropäerInnen einer unzurechenbaren algorithmischen Zensur ausgesetzt sein werden.
Wir hatten gehofft, dass die Verhandlungsführenden der EU und der nationalen Regierungen Artikel 13, die "Zensurmaschinen" -Richtlinie, streichen würden, die Online-Plattformen zwingt Videos, Texte, Audiodateien und Bilder ihrer Nutzenden an eine einen Black-Box-Machine-Learning-Filter zu übergeben, der alleine entscheidet, ob diese Urheberrecht verletzen und damit, ob sie zensiert werden oder veröffentlicht werden dürfen.
Stattdessen ist der derzeitige Text sehr umfangreich, um das Mandat für KI-Filter zu verschleiern. Neu heißt es, dass Filter vermieden werden „sollten" und dass Unternehmen sich der Haftung entziehen können, wenn sie die „optimalsten Vorgehensweisen/Best Practices" zur Bekämpfung von Verstößen nutzen. Die Richtlinie besagt aber auch, dass Haftungsbeschränkungen nicht gelten, wenn „wirtschaftlicher Schaden" entstanden ist – d.h., wenn Nutzende irgendeine Art kommerzieller Inhalte haben — und dass dies auch „notice & staydown" („eine zur Kenntnisnahme & ein Stoppen") erfordert. Ergo sobald eine Plattform benachrichtigt wurde, dass eine bestimmte Datei gegen das Urheberrecht verstößt, müssen alle Nutzenden daran gehindert werden, diesen Inhalt erneut zu posten.
Daher kann Artikel 13 nur mit der Hilfe von Filtern entsprochen werden — Filter wie solche, die von Tumblr in einem verheerenden Ausmaß genutzt werden, um pornographisches Material zu blockieren. Artikel 13-Filter werden weitaus mehr Material in jedem Format verarbeiten müssen und sie werden nicht besser sein.
Und da Artikel 13 Unternehmen bestraft, die einem Nutzenden die Möglichkeit bieten, das Urheberrecht zu verletzen, ohne jedoch Unternehmen zu bestrafen, die Sachen ihrer Nutzenden zu stark blockieren und zensieren, ist das Ergebnis offensichtlich.
Die Entwicklung und Implementierung von Filtern nach Artikel 13 wird voraussichtlich viele Hunderte Millionen Euro kosten, was sich nur die größten US-Unternehmen leisten können, aber keines der Europäischen. Die Ausnahme, die es Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 20 Millionen Euro erlaubt, diese Filter nicht zu verwenden, ist irrelevant: Falls diese Unternehmen die US-Riesen herausfordern wollten, müssten sie wachsen, dürften aber nicht über die 20 Millionen Euro-Marke kommen, da sie sonst hunderte Millionen Euro zur Erfüllung des Artikel 13 aufbringen müssten.
Artikel 11, Links ohne Lizenzen zu verbieten, ist ebenfalls eine schlechte Neuigkeit für kleine Unternehmen, die bereits mit Missbrauch durch US-amerikanischen Werbeplattformen zu kämpfen haben. Während es sich die großen Zeitungen, nach dem Artikel 11 Gesetz geworden sein wird, leisten können sich untereinander zu verlinken, werden kleinere Nachrichtenagenturen gezwungen werden Geld aufzutreiben, um diese Lizenzen zahlen zu können. Darüber hinaus verlangt Artikel 11 nirgends, dass Zeitungen Lizenzen auf jeden Fall verkaufen müssen, geschweige denn zu einem fairen Preis, der den Beträgen der anderen etablierten Nachrichtenagenturen wiederspiegelt. Es kommt aber noch schlimmer, da Artikel 11 keine Opt-out-Option besitzt: Jede Nachrichtenagentur muss verlangt Geld für ihre Links. Damit wird die aufkeimende und wachsende Welt der Creative Commons, der Non-Profit-Seiten und gemeinnütziger Nachrichtenseiten auf einen Schlag ausgelöscht werden.
Deutschland hat ein widersprüchliches Verhältnis zur neuen Richtlinie. Artikel 11 ist das geistige Kind alter deutscher Zeitungsfamilien und der überzeugteste Unterstützer der Richtlinie ist der deutsche Europaabgeordnete Axel Voss. Gleichzeitig lautet die offizielle nationale Position Deutschlands, die Artikel 11 und 13 zu verhindern und Einspruch einzulegen. Eine andere deutsche Europaabgeordnete, Julia Reda, führt die Anklage gegen die schlimmsten und gewichtigsten Aspekte der Richtlinie an.
Die Deutschen haben hier eine besondere Rolle zu spielen, da Ihre Abgeordneten und Ihre Zeitungsriesen die Agenda in einem hohen Maß vorantreiben und beeinflussen. Da Wahl schon bald stattfinden wird, ist es wichtig, dass Sie JETZT handeln!